"Arbeitstrinken" am Abend

Am Samstag (11. Januar 2025) war die Weinecke durchgehend rappelvoll - von 18:00 bis nach 22:00 Uhr. Das traf uns ziemlich unvorbereitet und wir mussten sogar Leute wieder wegschicken, was uns sehr leid getan hat. Irgendwann weit nach 23:00 Uhr war alles aufgeräumt und die letzte Spülmaschine des Abends genauso fix und fertig wie wir. Aber nix da mit "ausruhen":
Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Wir haben uns mit ein paar Flaschen in die Lounge gesetzt um schwierige Entscheidungen zu treffen, denn unser Sortiment muss wachsen. Um Einiges. Wir wollen den Gästen die Vielfalt der Welt der Weine öffnen. Es gibt so unglaublich viel zu entdecken und wir wissen, dass wir mit unserer Auswahl von aktuell 22 Weinen (9 weiss, 8 rot, 5 rosé) sozusagen 'mal eben noch in den Kinderschuhen stecken.
Das Shootout des Abends drehte sich um Elbling und Auxerrois. Die Flasche Rosé Pinot Noir auf dem Foto stammte vom "Feierabend-Piscine" davor. Von Elbling und Auxerrois hatten wir jeweils zwei Flaschen besorgt. Die Lieferung des ersten Winzers kam am Freitag, die des zweiten am Samstag. Also ging's mit einer Flasche Wasser (zum "Spülen") und den Kandidaten in die Lounge. Mathilda hat einen Kauknochen bekommen und es konnte losgehen.

Erste Hürde: Die Flasche Elbling von Matthias Dostert war... weg! Und von Stephan Steinmetz' Auxerrois war nur noch ein Rest übrig! Im Eifer des Gefechts haben wir die am Freitag und Samstag schon zwei Gästen ausgeschenkt die auf der Suche nach "was anderem" waren. Beide Gäste waren danach begeistert ...und wir Betreiber jetzt entsprechend limitiert an Vergleichsmaterial. Aber wir haben uns für die zufriedenen Gäste gefreut und konnten dem "Verlust" daher durchaus etwas positives abgewinnen. Hauptsache, den Gästen hat es geschmeckt!
Elbling
Die älteste Rebsorte Europas, von den Römern eingeschleppt als die einzige Rebe, die das "barbarische Klima" vertragen konnte ist sie heute nicht mehr so mainstream wie vor 2000 Jahren, aber dafür etwas für Liebhaber trockener Weissweine. Wir nennen ihn gerne den "King of Restzucker" weil er fast keinen hat (zum Teil bis runter auf 1,0% !) und damit ein guter Kandidat für kopfschmerzarmen Genuß und ein Muss für jeden Weisswein-Enthusiasten ist.
"Muss" im Sinne von: Muss man nicht lieben - aber muss man zumindest mal probiert haben bevor man sagt "ich kenne alle Weissweine". 😉
Zur Auswahl stand der grossartige Elbling von Matthias Dostert (oder zumindest die Erinnerung an das Mini-Probeschlückchen vom Freitag Nachmittag, weil mittlerweile "Flasche leer") und der ebenso grossartige Elbling von Stephan Steinmetz. Es fällt schwer, das Ergebnis der Verkostung zu begreifen: Beides Elbling, beide Spitzenklasse, beide ganz exakt in der Ecke die genau so schmeckt wie ein Elbling schmecken sollte - und beide dabei ganz klar in unterschiedlichen Ecken was Aromen, Säure, Gaumengefühl und Abgang angeht. Das ist das faszinierende an Weinen. Sie können 99% identisch sein und trotzdem "Welten" von einander entfernt. Unglaublich.
Auxerrois
In der ersten Woche hatte ein Gast nach einem "Weißwein mit wenig Säure" gefragt. Das Säureproblem kennen bestimmt viele Weißweintrinker. Beim ersten Besuch fand sich noch ein Kompromiß in Form eines Weißburgunders. Aber beim zweiten Besuch waren wir vorbereitet: Auftritt des Auxerrois von Stephan Steinmetz: Spiel, Satz und Sieg. der Gast war begeistert. Zum Glück blieb trotzdem noch ein Rest in der Flasche von Stephan Steinmetz, so dass wir zumindest beim Auxerrois direkt vergleichen konnten.
So wie der Elbling der "King of Restzucker" ist, ist der Auxerrois für uns der "King of Restsäure" - weil er da eben sehr sparsam ist. Bei der Verkostung der beiden Auxerrois waren wir dann genau so verblüfft wie den den Elblingen: Man schmeckt, dass beide Winzer ganz genau wissen, wohin sie ihre Weine ausbauen möchten, welche Richtung sie dabei einschlagen. Beide haben dieselbe leidenschaftliche Detailverliebtheit, den typischen Charakter der Rebsorte heraus zu formen, beide grossartig - und beide dabei in verschiedenen Richtungen unterwegs.
Fazit
Bei beiden Weinen haben die WInzer unterschiedliche Nuancen herauskultiviert. Der eine hat einen Hauch mehr "Britzel" auf der Zunge, der andere ein minimal weicheres Bukett. Beim Abgang dann wieder beide unterschiedlich. Und das sowohl in der Elbling-Paarung als auch bei den Auxerrois. Bei uns Juroren sind die Tendenzen klar, aber das letzte Wort ist noch nicht gesprochen: Die Entscheidung wurde vertagt. Hätten wir doch mehr Platz! Wir würden uns alle vier in den Keller stellen.